Lebendig Schön

View Original

Vom Sinn des Absturzes - eine Bienengeschichte

Heute hat mich eine Beobachtung enorm beeindruckt, weil ich unser aller Verhalten darin wiedererkannt habe. Und ich habe gelernt, warum wir alle vielleicht ab und zu einen Absturz brauchen.

Heute flog eine Biene durch das gekippte Fenster ins Zimmer herein. Sofort versuchte die Biene, wieder rauszufliegen, landete aber auf dem Glas des Fensters daneben. Ich stand sofort auf und öffnete das gekippte Fenster in der Hoffnung, dass sie die frische Luft spüren und einfach nebenan in die Freiheit finden würde. Und dann begann das Drama.

Die Biene nahm nur das Glas unter ihr wahr, das den freien Himmel versprach. Sie schwirrte daran entlang, von unten nach oben. Von rechts nacht links. Suchte in alle Richtungen. Verstand nicht, warum es keinen Weg hinaus gab.

Ich konnte ihre Gedanken regelrecht hören: das gibt es doch gar nicht. Hier ist doch der Himmel sogar zu sehen, da MUSS doch der Ausgang sein. Sie wurde immer panischer. Schwirrte auf und ab, obwohl 5 cm weiter rechts ein Fenster offen stand. Aber sie konnte es nicht sehen, weil sie zu nah am Glas war und der Fensterrahmen ihr die Sicht versperrte. Sie schob sich weiter auf den Rahmen zu. Ich dachte: ja genau! Das ist die richtige Richtung! Geh weiter! Aber die Biene nahm nur das Holz wahr. Und das konnte ja kein Himmel sein.

Wieder und wieder rannte sie an gegen das Glas an. Ich beobachtete sie fasziniert. Genau so ist das bei uns auch, dachte ich. Wir verrennen uns in unsere Vorstellung davon, wie etwas zu laufen hat. Sehen nur den kleinen Ausschnitt der Wirklichkeit vor uns. Das MUSS doch so gehen. Dabei hätte es der Biene genügt, nur ein klein wenig nach hinten zu fliegen. Schon hätte sie das offene Fentser gesehen und den Ausweg. Aber sie hatte sich buchstäblich verrannt. Die Perspektive, die sie sich zugestand, war zu klein.

Und dann griff das Schicksal ein. Die Biene wurde müde und rutschte ab am Fenster. Mit ziemlicher Wucht knallte sie an den unteren Rand des Fensterrahmens. Ganz benommen taumelte sie zurück - und hatte endlich genug Abstand zum Glas, um das Fenster nebenan wahrzunehmen. TOP. Fort war sie.

So geht das manchmal. Nur wenn wir abstürzen, und uns manchmal dabei auch weh tun, schleudert uns das Leben ein wenig aus unserer Umlaufbahn. Dann verändert sich unsere Perspektive genug, dass wir neue Wege erkennen, die vorher in der engen Sichtweise gar nicht vorhanden waren. Und wir waren zu festgefahren, um die größere Realität zu erkennen.

Also besser ab und zu die Perspektive ändern. Ich hab mich verrannt? Dann bin ich vielleicht einfach zu fokussiert auf meine jetzige Wahrnehmung der Dinge. Was kann ich dann machen? Tief durchatmen. Einen Schritt zurücktreten. Andere fragen. Alles mal loslassen. In mich hineinhören. Ganz tief drin gibt es andere Ideen. Und dann annehmen, was kommt. Nicht zerren und ziehen, nichts erzwingen. Einfach die Lösung kommen lassen. Geduldig. Dann braucht es auch gar keinen Absturz…

Alles Liebe für euch.